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Menschenopfer I

Aktualisiert: 8. Nov. 2021

Mit Argusaugen beobachten die Schiedsrichter jede Bewegung der Gladiatoren. Unzweifelhaft näherte sich der Kampf seinem Ende. Blut tropft in den Sand der Arena. Die schrillen Töne der Wasserorgel untermalen die stetig steigende Spannung. Das Publikum rast vor Begeisterung.

So, oder zumindest so ähnlich darf man sich die Stimmung bei den berühmten Spielen in Rom vorstellen, die auch Birk und Nora während ihrer Zeitreise in »Das Geheimnis der Prophezeiung« besucht haben. Es gibt wohl kaum jemanden, der die antike Stadt nicht mit den Gladiatorenkämpfen verbindet. Brot und Spiele, blutige Spiele. Spiele die oft genug mit dem Tod eines Gladiators endeten. Actionkino im Live-Modus. Kein Trick, kein Make-up, sondern reale Verletzungen von Menschen, die in Echtzeit um ihr Leben kämpfen.

Und das war alles nur Unterhaltung? Wirklich nur Unterhaltung? Der Eindruck täuscht, denn das Entertainment war zu Beginn der Spiele nur ein Nebenprodukt. In Wahrheit ging es zuerst einmal nur um eines, um Menschenopfer.





Der berühmten Gladiatorenkämpfe haben ihren Ursprung in den Leichenfeiern der Etrusker, wo zu Ehren der Verstorbenen gekämpft wurde.







Menschenopfer. Sobald man das Undenkbare ausspricht, stellt sich ein seltsam grusliges Gefühl ein. Das Wort erinnert an barbarische und heidnische Bräuche und lässt uns heute eine Gänsehaut über den Rücken laufen.

Die Vorstellung, einen Menschen vorsätzlich und rituell zu töten, ist in unserem Kulturkreis nicht mehr vorstellbar. Und doch hat es auch in diesen Gefilden einst Menschenopfer gegeben. Moorleichen, wie der »Tollund-Mann« bezeugen die grausige Praxis.

Der römische Historiker Tacitus berichtete, dass die Cherusker nach der Varusschlacht die gefangen genommenen Legionäre ihren Göttern geopfert haben. Als im Jahr 15 n. Chr. der römische Feldherr Germanicus bis zum Ort der dramatischen Geschehnisse vorstieß, hatte er die Überreste der Menschenopfer gefunden und diese von seinen Leuten bestatten lassen.

Menschenopfer sind weltweit belegt und selbst in Hochkulturen, wie bei den Maya und Inka oder bei den alten Ägyptern wurden sie vollzogen.

Die Archäologen sind sich recht sicher, dass bereits in der Frühzeit Menschen geopfert wurden, etwa bei der Kreisgrabenanlage von Goseck.

Auf Hawaii sollen vor der Zeremonie den Opfern die Augen herausgerissen worden sein.

Ähnlich heftig ging es bei den Azteken zu. Sie verabredeten sich mit ihren Nachbarn zu sogenannten Blumenkriegen. In diesen war es das Ziel der Krieger, möglichst viele Gefangene zu machen. Diese wurden später als Blumen den Göttern geopfert, wovon dann auch die Bezeichnung der Kriege hergeleitet wurde.

Zumeist waren schlimme Notlagen der Anlass für die Blumenkriege, etwa langanhaltende Dürreperioden. Da die Naturkatastrophen die benachbarten Völker nicht verschonten, war es möglich die Blumenkriege im gegenseitigen Einverständnis und ganz friedlich miteinander zu verabreden. Immerhin dachten auch die in unmittelbarer Nachbarschaft lebenden Völker, dass schlechte Ernten dem Zorn der Götter zuzuschreiben wären. Den damaligen Vorstellungen entsprechend mussten die Gottheiten besänftigt werden, um den eigenen Fortbestand zu sichern. Also brachten ihnen die von Naturkatastrophen heimgesuchten Völker etwas ganz Besonderes zum Opfer – menschliches Leben.

In Blumenkriegen stellte sich nur selten die Frage nach Leben und Tod. Vielmehr ging es auf dem Schlachtfeld darum, ob man ein Menschenopfer wurde oder ein solches gewinnen konnte. Mit jedem gefangen genommenen Feind stieg auch das Ansehen des erfolgreichen Menschenfängers. Immerhin vermochte er zugunsten der Gemeinschaft den Göttern ein oder sogar noch mehr Opfer darzubringen.

Dabei darf man sich das Aufeinandertreffen der feindlichen Armeen nicht wie eine mittelalterliche Schlacht vorstellen. Vielmehr traten immer nur einige hundert Krieger gegeneinander an, wobei nur Zweikämpfe zulässig waren. Der weitaus größte Teil des Heeres fungierte derweil als Publikum, das die eigenen Leute anfeuerte. Erschöpfte Kämpfer wurden ausgewechselt, sodass jeder die Gelegenheit erhielt sich zu beweisen.

Glaubt man den alten Überlieferungen, wurden die Gefangenen respektvoll behandelt. Oftmals sollen sie zu ihrem Bezwinger sogar ein geradezu freundschaftliches Verhältnis entwickelt haben.

Dennoch wurde ihnen auf den Stufenpyramiden bei lebendigem Leib die Brust geöffnet und das Herz herausrissen. Bei diesen Gelegenheiten kam es dann auch zu rituellem Kannibalismus.






Die Azteken verabredeten sich mit ihren Nachbarn zu den sogenannten Blumenkriegen. Das Ziel dieser Kriegszüge lag ausschließlich darin, ausreichend Gefangene zu machen, die dann den Göttern geopfert wurden.







Trotz der aus heutiger Sicht brutalen Vorgänge, soll es Freiwillige gegeben haben, die sich als Opfer zur Verfügung stellten. Daraus darf geschlussfolgert werden, dass die Opferzeremonie auf die Menschen der damaligen Zeit, nicht besonders abschreckend wirkten. Die Praxis der Menschenopfer wurde also ganz offensichtlich als etwas Notwendiges angesehen.

Die freiwilligen Meldungen werfen die Frage nach der Motivation für Menschenopfer auf. Doch so sehr sich in den verschiedenen Kulturen die Zahl und die Praxis der rituellen Tötungen auch unterscheiden mochten, die Gründe waren sich oftmals ähnlich.

Fast immer ging es darum, die bei den Azteken sterblichen Götter zu ernähren, Unheil abzuwenden, den Gottheiten für ihre Gunst zu danken oder sie davon abzuhalten, die Welt zu zerstören. Dafür war man bereit sogar menschliches Leben einzusetzen. Eine Steigerung konnte letztendlich nur noch durch die Opferung dessen erreicht werden, dass den Menschen das Allerliebste waren – den eigenen Kindern.

Allein die Tatsache, dass es freiwillige Meldungen gab, sollte Anlass genug sein, die Menschenopfer im Kontext der Zeit zu betrachten. Offensichtlich herrschte die weitverbreitete Ansicht vor, dass sie dem Gemeinwohl dienten, dem es sich unterzuordnen galt.

Mit Sicherheit sahen das aber jene, die unfreiwillig zum Opfer gemacht wurden, wie etwa die Gefangenen der Cherusker, ganz anders. Besonders dürfte dies der Fall gewesen sein, wenn in deren Herkunftsländern diese Praxis längst der Vergangenheit angehörte.

Die letzten großen Reiche der indigenen Bevölkerung Amerikas gingen im 16. Jahrhundert unter und mit ihnen endete in diesen Regionen auch die Praxis der Menschenopfer.

Im zweiten Teil wird sich der Blogbeitrag den Menschenopfern im Altertum und der antiken Welt widmen.


Dieser Blogbeitrag erschien auch auf der Artikelseite von "Panpagan".



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